"Kraft-Wärme-Kopplung ist bereit für vollständig klimaneutrale Energieversorgung"

Experteninterview – 22. Februar 2021

Hans Korteweg, Geschäftsführer bei COGEN Europe

Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) hat ein enormes Potenzial, ein zuverlässiges und gleichzeitig bezahlbares und klimafreundliches Energiesystem aufzubauen, von kleinen Systemen in Privathäusern bis hin zu Megawatt-Einheiten für die Energieversorgung der Industrie, von Fabriken und für Energieversorger. Zu den Vorteilen der KWK gehören zudem Energie- und Ressourceneinsparungen. Hans Korteweg, Geschäftsführer bei COGEN Europe, erläutert das Potenzial dieser Technologie.

Herr Korteweg, was genau ist Kraft-Wärme-Kopplung und wie funktioniert sie in technologischer Sicht?

Kraft-Wärme-Kopplung – oft sprechen wir einfach von KWK – bezeichnet die kombinierte Erzeugung von Wärme und Strom mit einem System. Das bedeutet, dass unsere Energieversorgung billiger, effizienter und auch mit weniger Treibhausgasemissionen verbunden ist. Sie finden KWK-Systeme in Leistungsgrößen von einem Kilowatt bis zu einem Megawatt. KWK umfasst viele technologische Varianten von Turbinen über Motoren bis hin zu Brennstoffzellen, die hauptsächlich in Haushalten und kleinen Unternehmen eingesetzt werden. Ein weiteres Beispiel ist Fernwärme. 70% der Fernwärme wird mit KWK-Systemen erzeugt.

KWK wurde ursprünglich für die Nutzung fossiler Brennstoffe entwickelt. Aber jetzt haben wir auch Technologien für die effiziente Nutzung von erneuerbaren Brennstoffen wie Biomasse, Biogas und Wasserstoff in seinen verschiedenen Farben.

Das klingt wie eine perfekte Technologie für die viel beschworene Sektorenkopplung. Welche Rolle kann Kraft-Wärme-Kopplung hier spielen?

Heute liefert Kraft-Wärme-Kopplung etwa 11% des Stroms und etwa 15% der Wärme in Europa. Für das Jahr 2030 haben wir hochgerechnet, dass wir den Anteil der Stromerzeugung auf 20% und den der Wärme auf 25% verdoppeln könnten. Mehr als ein Drittel der Brennstoffe, die heute schon in der KWK eingesetzt werden, sind erneuerbar. Diese Zahl hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht. Erneuerbare ersetzen jetzt schon feste Brennstoffe, Öle und dergleichen – und wir gehen davon aus, dass dieser Anteil mit der Einführung weiterer erneuerbarer Brennstoffe wie Biokraftstoffe und Wasserstoff steigen wird. Wir sehen, dass sich KWK zum Rückgrat eines dezentralisierten, integrierten Energiesystems entwickelt, in dem Energie auf lokaler oder dezentraler Ebene erzeugt und verbraucht wird. Das wird den Einsatz von mehr Wind- und Solarenergie beschleunigen, da KWK sicherstellt, dass genügend Energie vorhanden ist, wenn es nicht genug Wind und Sonne gibt. Und Kraft-Wärme-Kopplung kann die Verbreitung von weiteren elektrifizierten Lösungen wie Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen beschleunigen, denn sie sorgt dafür, dass genügend Strom für die Versorgung dieser Anwendungen vorhanden ist.

Sie haben einen Bericht mit dem Titel “Towards an efficient, integrated and cost effective net zero energy system in 2050, the role of cogeneration” veröffentlicht. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse, zu denen Sie gekommen sind?

Die Kraft-Wärme-Kopplung ist bereit für eine vollständig klimaneutrale Energieversorgung. KWK bringt dabei vielfältige Vorteile sowohl für das gesamte System als auch für den Endverbraucher, und das können Unternehmen, Kommunen, Familien, aber auch die Industrie sein. Dank ihrer Effizienz wird Kraft-Wärme-Kopplung den Einsatz von erneuerbaren Brennstoffen reduzieren. Daher wird KWK auch die Energierechnungen für die Endverbraucher senken. Mit Blick auf das Jahr 2050 wird KWK im Durchschnitt bis zu 220 TWh pro Jahr einsparen, was zu Kosteneinsparungen zwischen 4 und 8 Mrd. € führen wird. Eine europäische Familie kann also im Durchschnitt etwa 800 € pro Jahr sparen, wenn sie in ihrem Haus ein mit Wasserstoff-Brennstoffzellen betriebenes KWK-System installiert.

Wo sehen Sie die höchsten Wachstumsraten in all diesen Anwendungen?

Derzeit sehen wir das größte Wachstum bei Anwendungen in kleinen und mittleren Unternehmen, in öffentlichen Gebäuden wie Krankenhäusern und Schulen, aber auch in der privaten häuslichen Energieversorgung mit Brennstoffzellen-Systemen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen bauen dabei auf einen modularen Ansatz. Anstelle eines sehr großen Gerätes haben sie 10 Brennstoffzellen-Mikro-KWK, die mehr Flexibilität bieten und auch die CapEx reduzieren.

Sind die meisten KWK-Hersteller und ihre Anlagen derzeit bereit für 100% Wasserstoff?

Kraft-Wärme-Kopplung ist brennstoffunabhängig. Man kann sie mit allen Brennstoffen betreiben, die man hat. Natürlich gibt es heute noch nicht genug Wasserstoff, um die Anlagen kontinuierlich damit zu betreiben, aber sie sind bereits so konstruiert, dass sie ohne großen Aufwand angepasst werden können.

Brennstoffzellen laufen mit verschiedenen Mengen an Wasserstoff im Gemisch mit Erdgas. Dazu wird Erdgas in Wasserstoff reformiert und dieser Wasserstoff wird dann durch die Brennstoffzelle geleitet. In Zukunft können diese Systeme mit ein paar Änderungen mit Biogas betrieben oder auch auf reinen Wasserstoff umgeschaltet werden. Man nimmt den Reformer heraus und die Anlage läuft mit reinem Wasserstoff weiter.

Welches Potenzial sehen Sie, dass KWK in großem Maßstab ausgerollt wird?

Es gibt bereits eine starke Produktionsbasis und viel Know-how in Europa. Die meisten Unternehmen, die an Kraft-Wärme-Kopplung beteiligt sind, kommen aus Europa. Wenn wir über KWK sprechen, dann sprechen wir auch immer über Primärenergie-Einsparungen. Da gibt es noch ein großes Potenzial. Aber wir brauchen dafür auch die richtigen politischen Maßnahmen. Die sehen wir in Bezug auf die Kraft-Wärme-Kopplung glücklicherweise bereits im europäischen Green Deal angelegt. KWK kann und wird der EU helfen, die bestehenden Ziele zu erreichen.

The smarter E Podcast

Das ausführliche Interview mit Hans Korteweg gibt es auch als Podcast in englischer Sprache.

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