Das rasante Wachstum der erneuerbaren Energien hat die Art und Weise, wie wir Volatilität im Energiesystem managen, grundlegend verändert. Flexibilität ist zur neuen Währung geworden, und Batteriespeichersysteme sind ein zentraler Bestandteil davon. Indem sie Schwankungen in der Erzeugung ausgleichen und die Lieferung von erneuerbarem Strom rund um die Uhr ermöglichen, entwickeln sich BESS zu einem Eckpfeiler der Energiewende.
Doch mit dem Marktwachstum steigt auch die Komplexität der Projekte. Zugleich werfen neue Regulierungen und ein angespanntes Kapitalmarktumfeld immer mehr Fragen auf. Sind BESS heute wirklich attraktiv für Investitionen? Welche Erlösmodelle bewähren sich auf dem deutschen Markt? Und wie beeinflussen Faktoren wie Projektgröße, Vertragspartner oder interne Risikotoleranz die Finanzierungsansätze?
In der Session der ees Europe Conference Commercial Models for Utility-Scale BESS – How Investor Appetite Is Shaping the Development Process in Germany sprach Moderator Christopher Bryan, Head of Mergers & Acquisitions bei Apricum – The Cleantech Advisory, mit Experten von Engie, EnBW, terralayr und der Deutschen Kreditbank über die wichtigsten Finanzierungsdynamiken des deutschen Marktes für großskalige Batteriespeichersysteme.
Mikko Preuß, Chief Commercial Officer (CCO), terralayr Deutschland: Deutschland drängt schneller vorwärts als viele andere Länder und hat allein im letzten Jahr 20 Gigawatt (GW) an erneuerbarer Kapazität zugebaut. Dieses Tempo erzeugt einen klaren systemischen Bedarf an Speicherlösungen, um Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht zu halten. Gleichzeitig sehen wir Arbitrage-Spreads im Day-Ahead-Markt, die sich in den letzten fünf Jahren um fast 300 Prozent erhöht haben. Das eröffnet echte Chancen für diejenigen, die wissen, wie man flexible Assets managt. Batterien bieten starke Renditen, wenn sie richtig eingesetzt werden.
Martin Daronnat, Head of Flexibility & Structured Origination Germany, Engie: Ich denke, der Markt ist hinsichtlich der Gewinnerwartungen überhitzt, da wir aus Ausnahmejahren kommen, wenn man an COVID-19 oder den Krieg in der Ukraine denkt. Diese Ereignisse haben Volatilität und Preise auf extreme Weise nach oben getrieben und sollten nicht als Grundlage für zukünftige Ertragsprognosen dienen. Investoren sollten vorsichtig sein und ihre Annahmen hinterfragen, indem sie mit Tradern sprechen, Forward-Quotes einholen und diese Daten nutzen, um sich ein realistischeres Bild vom Batteriewert in den nächsten fünf bis zehn Jahren zu machen.
Marcel Schepers, Produktmanager Flexibilitätsvermarktung, EnBW: Wir haben eine Flut an Netzanschlussanfragen gesehen, die in Summe bis zu 400 GW erreichen. Ein großer Teil dieses Volumens ist doppelt gemeldet, da Entwickler häufig bei mehreren Netzbetreibern Anträge für dasselbe Projekt stellen. Das eigentliche Problem ist aber die Lücke zwischen Erneuerbaren und flexibler Kapazität – und diese Lücke ist nach wie vor erheblich. Bis sie geschlossen ist, bleibt der Bedarf an Batterien und Flexibilität absolut real. Die hohe Marktvolatilität sendet bereits heute klare Signale: Wir brauchen mehr flexible Assets und Batterien sind ein zentraler Bestandteil der Lösung.
Thomas Osburg, Vertriebsmanager New Energies, Deutsche Kreditbank: Für mich lautet die Frage nicht, ob wir jetzt in einer Blase sind, sondern ob wir uns in fünf Jahren in einer befinden werden. Mit Hunderten von Gigawatt in der Netzanschluss-Warteschlange bin ich eher besorgt darüber, ob wir überhaupt in der Lage sind, all diese Projekte umzusetzen, zu finanzieren und zu vermarkten. Die Zahlen deuten auf ein explosionsartiges Wachstum hin, aber die Realität der Umsetzungskapazität wird das wahrscheinlich bremsen.
Thomas Osburg: Interessant ist, dass das konkrete Erlösmodell nicht der entscheidende Faktor für die Finanzierung ist – Finanzierungsstrukturen lassen sich auf unterschiedliche Strategien anpassen. Was wir aber unbedingt von Anfang an brauchen, ist ein klares Erlös-Konzept. Ist es ein vollständig merchant-basiertes Modell (hohes Risiko), ein Floor-Modell (mittleres Risiko) oder ein Tolling-Modell (geringes Risiko)? Diese Entscheidung bestimmt, wie wir das Projektrisiko modellieren. Als Best Practice gilt die Zusammenarbeit mit spezialisierten Energieberatern, die projektspezifische Erlösprognosen in verschiedenen Szenarien liefern.
Martin Daronnat: Wir von Engie streben bis 2030 weltweit 10 GW an BESS-Leistung an. Versorgungsunternehmen wie wir verfügen über langjährige Erfahrung mit Marktrisiken, was unseren Investitionsansatz prägt. Wir glauben zwar an den Flexibilitätswert von Batterien, gehen aber dennoch sehr strukturiert mit Risiken um. Dies ist eine der Hauptaufgaben unserer GBU Supply and Energy Management (SEM) bei ENGIE. Wir sind in der Lage, Risiken zu übernehmen, da wir diese dank unserer Kompetenzen in den Bereichen Handel, Strukturierung, Portfoliomanagement und Origination bewältigen können.
Martin Daronnat: Ich bin überzeugt, dass die Erlöse in den kommenden Jahren sinken werden – vor allem, da wir seit Jahren extrem hohe Preise sehen und Zusatzdienstleistungen weiterhin außergewöhnlich teuer sind, aktuell bis zu zwei Drittel der BESS-Einnahmen in Deutschland. Eine Sättigung der Handelserlöse beunruhigt mich jedoch wenig, da wir uns bei Engie absichern können. Aktives Risikomanagement mit unterschiedlichen Strategien ist ein zentraler Bestandteil unseres Ansatzes. Nur wenige Energieversorger in Europa sind in der Lage, Flexibilität in großem Maßstab abzusichern – wer es nicht tut, setzt sich erheblichen Wachstumsrisiken aus.
Für Deutschland rechnen wir bis 2030 mit einem Bedarf von mehreren Gigawatt Flexibilität, um unser Erneuerbaren-Portfolio zu sichern und unsere Kunden rund um die Uhr mit grünem Strom zu versorgen. Ohne Absicherung würde das Marktrisiko schnell untragbare Dimensionen erreichen. Hedging war und bleibt daher der einzige Weg, um große Portfolios aufzubauen. In der Praxis erfolgt dies über unser Erneuerbaren-Portfolio, unsere Downstream-Aktivitäten, direkt über den Markt – oder durch eine Kombination aller drei.
Marcel Schepers: Es gibt keine feste Grenze, aber aus unserer Erfahrung liegt sie etwa bei 40 bis 50 MW. Unterhalb dieser Größe neigen Projekte eher zu merchant-basierten Modellen oder hybriden Varianten wie Floor-Modellen, da Investoren stärker auf mögliche Mehrerträge fokussiert sind. Und mit zunehmender Anlagengröße ändert sich das Investorenprofil. Es kommen vermehrt große Infrastrukturfonds und Eigenkapitalgeber auf den Plan, deren Hauptaugenmerk auf der Risikominimierung liegt. Das erfordert fast immer vertraglich abgesicherte Erlösstrukturen. Als wir 2022 unseren ersten Tolling-Vertrag für ein 7-MW-Projekt abschlossen, dauerte das sechs Monate. Heute brauchen wir standardisierte Rahmenbedingungen, sonst bleibt das merchant-basierte Modell für kleinere Projekte die Norm.
Mikko Preuß: Ich denke, es geht weniger um die Größe eines einzelnen Assets, sondern um die Struktur des Portfolios. Die meisten unserer Projekte liegen im Bereich 10 bis 30 MW, aber wir bündeln sie in größere Portfolios. So können wir beispielsweise 50 MW Kapazität mit einem ausgewogenen Mix aus 50 Prozent merchant-basierten Modellen und 50 Prozent vertragsbasierten Modellen anbieten. Ein solches Geschäft haben wir kürzlich abgeschlossen. Dieser Portfolioansatz, also das Denken in „verwalteten Megawatt“ statt „Asset für Asset“, ist meiner Meinung nach die Zukunft.
Thomas Osburg: Wenn es sich um Tolling-Verträge für kleinere Speicherprojekte handelt, geht es auch um den Marktzugang. Das zeigt auch die PPA-Landschaft im Photovoltaik-Bereich: Power Purchase Agreements lohnen sich in der Regel für größere Projekte, wo sich der juristische und administrative Aufwand wirtschaftlich rechnet. Dasselbe gilt für BESS-Projekte – große Assets können die Rechtskosten absorbieren, während kleinere dadurch oft ins merchant-Modell gedrängt werden. Wenn wir keine standardisierten Rahmenbedingungen zur Bündelung kleiner Projekte schaffen, bleiben viele der strukturierten Erlösmodelle ausgeschlossen.
Martin Daronnat: Alle beteiligten Parteien sollten sich gegenseitig wirklich verstehen, insbesondere in Bezug auf Risiken. Eine gute rechtliche, kommerzielle und technische Beratung ist auch entscheidend, denn Tolling-Verträge sind komplex, und Missverständnisse in der Terminologie führen oft zu großen Verzögerungen. Denn irgendwann läuft jedes Geschäft auf ein unerwartetes Problem hinaus und dann zählt Vertrauen. Einen Tolling-Vertrag nur zu unterschreiben, weil er auf dem Papier gut aussieht, reicht nicht: Er muss auch zur eigenen Strategie und Risikotoleranz passen.
Mikko Preuß: Aus Investorensicht beginnt alles mit Klarheit über die eigene Strategie: Wie hoch ist die Risikobereitschaft? Gibt es Eigenkapitalbegrenzungen? Wird auf langfristige Cashflows oder auf IRR (dt. interner Verzinsungssatz) optimiert? Ohne diese Klarheit diktiert der Markt das Ergebnis. Dann sollte man einen Wettbewerb herstellen: Es gibt noch keine Marktstandards, daher müssen Angebote sorgfältig verglichen werden. Weiterhin ist es wichtig, die Werttreiber der Gegenseite zu verstehen. Zum Beispiel kann man ein Tolling-Geschäft als virtuellen, kapazitätsbasierten Vertrag statt als asset-bezogene Struktur aufsetzen, was oft die Bilanz und die ökonomischen Eckdaten verbessert. Solche Details können den Unterschied machen.
Thomas Osburg: Vergesst die Banken nicht. Wir stellen oft bis zu 70 Prozent des Kapitals, also brauchen wir Mitsprache bei den Tolling-Konditionen. Das betrifft kommerzielle Risiken, Verfügbarkeitsgarantien, Sanktionen und Reporting-Pflichten. Wird die Bank zu spät eingebunden, muss der gesamte Vertrag womöglich neu verhandelt werden – und das will niemand.
Marcel Schepers: Man muss genau klären, wer welche Risiken und Zuständigkeiten trägt, wie zum Beispiel das Monitoring oder Garantieansprüche. Ein Vertrag kann attraktiv aussehen, bis man erkennt, dass das komplette Risiko beim Asset-Eigentümer liegt. Das kann auch ein Finanzierungsproblem werden. Fairness und Klarheit bei Verantwortlichkeiten sind daher genauso wichtig wie der Preis.