Experteninterview – "Dabei sein, wenn an den Rädern der Zukunft gedreht wird“

Experteninterview – 04. März 2022

Dr. Michael Spirig, CEO des European Electrolyser & Fuel Cell Forums (EFCF) und Content-Partner für das Thema Wasserstoff bei The smarter E Europe, verrät Programm-Highlights des Green Hydrogen Forums 2022, schildert die aktuelle Marktsituation sowie Risiken und Erfordernisse für den Aufbau der Branche.

Nach der erfolgreichen Premiere auf der „Restart 2021“ erwartet die Wasserstoff-Branche auf der ees Europe 2022 das zweite „Green Hydrogen Forum“. Drei Tage lang referieren internationale Experten zu Themen entlang der gesamten Wertschöpfungskette: von den politischen Rahmenbedingungen und internationalen Märkten über die benötigte Infrastruktur, Technologie-Innovationen und Kosteneinsparpotentialen bis hin zu Wasserstoff-Leuchtturmprojekten. Verraten Sie uns ein paar Programm-Highlights?

Dr. Michael Spirig: Für mich ist die ganze Drei-Tage-Komposition ein Highlight. Die Programm-Verantwortlichen – Olivier Bucheli, Präsident des European Fuel Cell Forums (EFCF), das Team von Solar Promotion und ich – haben zusammen mit den Verbandspartnern Hydrogen Europe und Deutscher Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband DWV einiges an Titeln und Namen eingebracht, aber wir haben auch sehr viele, sehr gute Präsentationsanfragen erhalten. Wir konnten also wirklich aus dem Vollen schöpfen. Daher haben wir das Hauptprogramm ergänzt mit Pitches über die Mittagszeit. Da werden dann im 10-Minuten-Takt kleine Kompetenz-Feuerwerke abgehen.

Wenn Sie mich nach einzelnen Highlights fragen, so bin ich sehr gespannt auf den Vortrag von Frau Professorin Veronika Grimm. Sie ist Mitglied des Sachverständigenrates der deutschen Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und wird am Mittwoch zur „Wirtschaftlichkeit und Bedeutung von Wasserstoff für Deutschland und Europa“ referieren. Am Donnerstag spricht James Watson, Generalsekretär von Eurogas, dem Branchenverband der europäischen Gasproduzenten und –lieferanten, über "The European Gas Grid - Asset to Accelerate the Hydrogen Economy". Am Freitag highlighte ich persönlich den Statkraft-Vortrag "The world's first hydrogen cargo ship with green hydrogen".

Um aus der Vielzahl an spannenden Vorträgen und Podiumsdiskussionen auswählen zu können, haben Sie eine Orientierungshilfe für unsere Leserinnen und Leser?

Wir haben die Tage etwas geordnet, so dass man je nach persönlicher Präferenz auswählen kann. Am ersten Tag ist das Programm etwas mehr „high-level“ und politisch. Am zweiten Tag fokussieren wir auf Infrastruktur und Sektorenkopplung, was sicher für Investoren, aber auch Umsetzer und Zulieferanten sehr interessant ist. Da sieht man, wo in den nächsten Jahren die Post abgeht. Der dritte Tag, den wir mit dem Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband (DWV) und dem VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik organisiert haben, ist dann anwendungsorientierter. Da geht es am Morgen um Transport und Mobilität und am Nachmittag um die Verbesserung der Bankability und Versicherbarkeit für Produkte, Prozesse und Projekte ebenso wie die Finanzierung dieser neuen Technologien.

Mein ganz persönlicher Geheimtipp wäre dann der Donnerstagmorgen, wo es um die Schlüssel Wasserstoff-Infrastrukturen und damit riesige Investitionen geht: Pipelines, H2-Gasnetz, Großspeicherlösungen und auch Sektorenkopplung.

Ich möchte auch auf keinen Fall die Panel Diskussionen am Mittwoch und Donnerstagnachmittag verpassen. Da wird genetzwerkt, man hat alle Experten zusammen und kann diesen gleich direkt die herausforderndsten Fragen stellen. Das wird spannend und informativ.

Von den eingangs genannten Stufen der Wertschöpfungskette, was würden Sie sagen: Wo hakt es noch am meisten? Was ist für einen raschen Marktaufbau oder sogar Marktdurchbruch nötig?

Technisch ist eigentlich alles da. Sogar die Finanzen wären vorhanden, aber es fehlt an der Sicherheit, am Vertrauen, dass nun alle möglichst gleichzeitig im größeren Stil mitziehen. Wenn vorher oder nachher etwas fehlt in der Kette, kann man schnell zum Verlierer werden. Um ein paar Beispiele zu nennen: Wenn ich grünen Wasserstoff produziere, es aber an Transportmöglichkeiten bis hin zum Verbraucher fehlt, ist es ein Problem. Ebenso wenn ich H2-Transportkapazitäten oder Speichermöglichkeiten aufbaue, aber niemand liefert oder ich den Wasserstoff nicht verteilen kann. Oder wenn ich ein umfangreiches Verteilnetz mit Tankstellen habe, aber niemand füllt sie mit Wasserstoff oder kommt tanken. Auch wenn ich eine große Lastwagen-Fahrzeugflotte habe, es aber zu wenig Tankstellen oder nur leere gibt, habe ich ein Problem. Der Bottleneck ist also, dass nun in die ganze Wertschöpfungskette gleichzeitig investiert werden muss und nicht nur zum Beispiel in das Energiesystem oder in Fahrzeugflotten.

Wo geht es am besten (oder gut) voran? Wie spiegelt sich das auf dem Forum wider?

Da schließe ich voll und ganz an die vorige Antwort an. Einerseits sehen wir, dass sich zurzeit fast weltweit in der Technologie enorm viel bewegt. Andererseits ist auch viel politischer Druck da. Es werden für die vorhandenen Lösungen unnötige Hürden abgebaut und von interregional bis zu interkontinental Konsortien und Projekte zum Fliegen gebracht. Genau das spiegelt sich im Forum wider: Wir wollen den vorher erwähnten Bottleneck aufzeigen, aber auch diese guten Bewegungen noch mehr in Schwung bringen.

Der Name ist Programm: Im Green Hydrogen Forum dreht es sich um Grünen Wasserstoff. Nur dieser kann klimaschonend ohne fossile Rohstoffe produziert werden, während bei Grauem, Blauen und Türkisen Wasserstoff Erdgas nötig ist. Wie groß ist die Konkurrenz, oder geht es ohnehin in Richtung Grüner Wasserstoff?

Vielfarbiger, also nicht ganz grüner Wasserstoff kann helfen, verspätete Elemente in der Wertschöpfungskette zu überbrücken, aber dies bedeutet auch Umwege im Sinne von Zeit- und Investitionsverlusten auf dem an sich geraden Weg zur nachhaltigen Lösung. Denn die muss voll grün sein. Genau zu diesem Thema kann ich vor allem die Paneldiskussion am Donnerstag wärmstens empfehlen mit dem suggestiven Titel "The European Hydrogen Mix - 50 shades of Green?". (lacht)

Alle Welt spricht über die Energieerzeugung aus Wasserstoff. Die deutsche Bundesregierung hat 2020 eine Nationale Wasserstoffstrategie beschlossen. Warum ist die Technologie überhaupt so wichtig geworden?

Schauen Sie sich an, was die ganze Zeit passiert. Unsere Energie-Abhängigkeit ist ja tödlich oder eher töricht und kostet über längere Zeit wohl einiges mehr, als wenn wir es selber und dafür richtig machen. Davon können speziell wir Schweizer das Lied guter Erfahrungen singen. Die Grüne Wasserstoffwirtschaft ist ein wesentlicher Teil der Lösung, dass Europa in Zukunft viel unabhängiger von Krisen und Kriegen agieren kann. Die Münze scheint allmählich bei doch recht vielen gefallen zu sein.

Und, Pardon, aber auch hier kann ich gleich wieder auf eine Panel-Diskussion, am Mittwochnachmittag, hinweisen. Da erörtern die Vortragenden aus den Sessions am Vormittag, wie die Importe fossiler Brennstoffe und damit die Abhängigkeit von instabilen Lieferländern verringert werden und wie im Gegenzug die Zusammenarbeit und der gemeinsame Aufbau der Infrastruktur mit vertrauenswürdigen Ländern möglich werden. Basis dazu sind die zwölf Forderungen im "Manifesto" vom Green Hydrogen Forum 2021.

Apropos Manifesto. Auf der Restart 2021 haben das EFCF, die Veranstalter der The smarter E Europe, der DWV und Hydrogen Europe, der Europäische Wasserstoffverband, das „Green Hydrogen Manifest“ verabschiedet. Zum Zeitpunkt der Bekanntmachung, also dem Start der Messe, hatten bereits 64 Unterstützer unterzeichnet, um ein Zeichen für die Dekarbonisierung und eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu setzen. Wie ist der aktuelle Stand? Was wurde mit dem Manifest erreicht?

Wir hatten uns für das Green Hydrogen Forum 2021 zum Ziel gesetzt, dass mehr als 100 relevante Institutionen unterschreiben. Das hatten wir auch schneller als erwartet erreicht. Zum Schluss des Forums konnten wir es stolz verkünden und freudig feiern. Das Green Hydrogen Manifest ist natürlich auch dieses Jahr ein großes Thema. Ich möchte jetzt schon alle freundlich dazu einladen, es zu lesen, gleich zu unterschreiben und damit einen kleinen, aber wirklich sehr wesentlichen Beitrag zur gemeinsamen und gleichzeitigen H2-Bewegung zu leisten.

Damit trägt man das Thema mit, welches, wie bereits erwähnt, in der Mittwoch-Panel-Diskussion gipfelt: "Green Hydrogen Manifesto: What does it take to industrialize?". Die Experten werden da zusammen mit dem beteiligten Publikum den Stand der Umsetzung und weitere erforderliche Maßnahmen diskutieren. Jeder kann so einfach und aktiv dabei sein, wenn an den Rädern der Zukunft gedreht wird.

Erfahren Sie mehr über den Ausstellungsbreich Green Hydrogen Forum & Expo auf The smarter E Europe 2022.

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