Batterie-Analyse-Tool mit digitalem Zwilling

Experteninterviews – Montag, 05 Juli , 2021

Michael Baumann, CEO von TWAICE

Das Münchner Software-Unternehmen Twaice hat eine Analyse-Software entwickelt, bei der digitale Zwillinge den Batteriezustand offenlegen. Damit sollen die Entwicklung und Markteinführung von Batterien beschleunigt und die Second-Life-Nutzung ermöglicht werden. Co-CEO Michael Baumann berichtet, wie es zu der Entwicklung kam und weshalb sie sich von Anfang an global und industrieübergreifend aufstellen.

Sie haben sich mit einer prädikativen Batterie-Analytik-Software für den ees Award beworben? Was können wir uns darunter vorstellen?

Wir befinden uns aktuell in einem sehr großen Umbruch: Elektromobilität und erneuerbare Energien sind auf dem Vormarsch. Beide Branchen brauchen Batterien. Sie sind der Key Enabler, aber auch die Achillesferse der Entwicklung, weil Batterien einfach komplexe Produkte sind. Sie sind komplex zu entwickeln und altern mit der Lebensdauer. Gleichzeitig sind sie sehr wertvoll. Dementsprechend haben wir mit der prädiktiven Batterie-Analytik-Software eine Software entwickelt, die dabei helfen kann, Batterien schneller zu entwickeln, sie schneller auf den Markt zu bringen, sie langlebiger zu nutzen und ein Second-Life der Batterien zu ermöglichen.

Die Kerntechnologie Ihrer Software ist ein digitaler Zwilling. Bitte erklären Sie, was das ist und wie es in Ihrem Produkt funktioniert.

Ein digitaler Zwilling ist ein Modell der physischen Batterie, das in der Cloud läuft. Die Batteriesysteme unserer Kunden, primär in Fahrzeugen oder bei Stationärspeichern, verbinden wir mit unserer Cloud und nehmen dann die Daten der Batterien auf. Über die digitalen Zwillinge wissen wir jederzeit, wie der Zustand der jeweiligen Batterie ist und wie gut es diesen Batterien geht. Über den modellbasierten Ansatz können wir aber auch in die Zukunft sehen. Wir können sagen, wie lange Batterien noch halten werden, was getan werden müsste, damit sie noch länger halten und wie die Speicher effizienter genutzt werden können. Im Endeffekt ermöglicht der digitale Zwilling Transparenz über Batterien.

Sie und Ihr Mitgründer Stephan Rohr haben 2014 an der Technischen Universität München mit der Forschung in der Second-Life-Nutzung und Lebenszeitmaximierung von Batterien begonnen. 2018 haben Sie Twaice gegründet mit dem Ziel, digitale Zwillinge zu nutzen, um den Übergang zu einer emissionsfreien Mobilität und grünen Energieversorgung zu ermöglichen. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Stephan und ich haben beide im Feld der Second-Life Batterien geforscht. Ich habe mir dabei stärker die technischen Probleme angesehen. Dabei haben wir relativ schnell das Kernproblem von Batterien allgemein und im Second-Life festgestellt: Batterien altern. Jeder kennt das von seinem Smartphone. Bei Elektrofahrzeugen und Stationärspeichern ist das dieselbe Entwicklung, nur dass die Batterien dort extrem kostspielig sind. Das Alterungsverhalten von Batterien gepaart mit ihrem hohen Vermögenswert (asset value), bedeuten große Unsicherheiten für alle Stakeholder – von Herstellern, über Nutzer und Anwender bis hin zu potenziellen Zweitnutzern. Da haben wir uns aus der Technik motiviert gefragt, wie wir das Problem lösen können, wie wir Transparenz über das Batterieverhalten schaffen können. So kam der Gedanke des digitalen Zwillings auf.

Warum ist prädikative Analytik-Software in Ihren Augen der Schlüssel und notwendig für die weitere Entwicklung und Skalierung des Batteriemarktes?

Wir sehen ja aktuell den sehr schnellen Wandel hin zu Elektromobilität und erneuerbaren Energien, bei dem der Batteriespeicher unabdingbar ist. Batterien sind der Enabler, aber sie bringen noch immer sehr viele Probleme mit sich: Die Entwicklungszyklen dauern viel zu lange, dadurch kommen Batteriesysteme auf den Markt, die eigentlich schon wieder überholt sind. In der Nutzung gibt es sehr hohe Unsicherheiten, was die Lebensdauer oder nutzbare Zeit von Batterien anbelangt. Wir hören auch fast jeden Tag von Batterierückrufen, sei es im Fahrzeug- oder Energiespeicherbereich. Bei Twaice sind wir überzeugt, dass die Batterie-Analytik-Software all diese Probleme lösen kann und in Zukunft das Tool sein wird, um Batterien zu betreiben. Und das entlang des gesamten Lebenszyklus, von der Entwicklung über die Nutzung bis hin zum Second-Life. Wir als Firma haben uns das Ziel gesetzt, diese Software industrieübergreifend und global anzubieten.

Wird in der Batteriespeicherbranche schon mit digitalen Zwillingen gearbeitet oder ist das ein Novum in dem Sektor?

Man kann sagen, es ist wirklich ein Novum. Ich würde sogar sagen, als wir mit Twaice begonnen haben, mussten wir den Leuten nicht nur erklären, was Batterie-Analytik-Software ist, sondern auch, wofür sie es brauchen. Dieses Bewusstsein, dass Batterien sehr intransparent und komplex sind, das musste man erst schaffen. Mittlerweile ist das erkannt. Die Software an sich ist aber ein Novum. Auch die Art und Weise, wie wir unsere Lösung sowohl von der technischen Seite als auch vom Businessmodellansatz angehen, ist neu.

Sie kooperieren mit dem Rückversicherer MunichRe und dem TÜV Rheinland. Audi und Daimler zählen zu Ihren Kunden, ebenso der Flottenmanagement-Betreiber ViriCiti. Sie haben 45 Millionen US-Dollar Investorengelder eingesammelt. Was ist Ihr Erfolgsrezept? Womit überzeugen Sie als doch noch junges Unternehmen?

Das ist eine gute Frage. Ich würde sagen, wenn man einen Schritt zurückgeht, ganz allgemein gesprochen: Wir lösen ein sehr relevantes und großes Problem mit einem wirklich einzigartigen Team. Das ist unser Erfolgsrezept. Wie schon gesagt, erneuerbare Energien und Elektromobilität, das sind die Entwicklungen, die die Welt, in der wir leben in den nächsten Jahren und Jahrzehnten total verändern werden. Batterien sind da die Schlüsselkomponenten. Die Probleme, die wir lösen, verhelfen beiden Disruptionen zum Erfolg. Wenn man für ein großes Problem eine smarte Lösung hat und mit der Umsetzung gut vorankommt, weil man ein gutes Team zusammengestellt hat, dann zieht man automatisch Investoren an.

Sie wollen in den Schlüsselmärkten wachsen, der nächste Schritt ist Nordamerika. Welche anderen Märkte haben Sie im Blick?

Das Thema, das wir lösen, ist ein globales Problem. Dementsprechend wollten wir uns von Anfang an global aufstellen. Gerade sind wir stark in Europa unterwegs. Der nächste Schritt ist USA, weil da vor allem im Energiemarkt die Probleme die gleichen sind. Der Marktzugang ist ähnlich zum europäischen. Vor allem unter der Biden-Administration erwarten wir viele positive Entwicklungen in den nächsten Jahren. Dementsprechend werden wir unsere Anstrengungen in den Vereinigten Staaten intensivieren. Als nächster Markt ist China zu nennen. Im Punkt Elektrifizierung ist dieser Markt nicht mehr wegzudenken. Er ist ein stückweit sogar mehr Leitmarkt als bei uns. Wenn bei uns beispielsweise 50 Elektrobusse in Städten unterwegs sind, dann sind es China teilweise schon 5.000 oder noch mehr. Deshalb wollen wir auch dort relativ schnell expandieren. Der Marktzugang ist in China natürlich komplexer als in USA. Aber wie gesagt, die Probleme sind sehr ähnlich und der Markt sehr attraktiv.

Sind eher Automobilhersteller, Energieversorger oder Batterieproduzenten Ihr Fokus? Warum?

Natürlich sind alle Kundengruppen interessant für uns. Aktuell fokussieren wir uns verstärkt auf die Bereiche Elektrofahrzeuge und Energie, weil das die beiden Industrien sind, bei denen der Bedarf an unseren Lösungen am größten ist. Bei den Elektrofahrzeugen ist der automotive Bereich natürlich der Leitmarkt. Aber auch Elektrobusse, Elektro-LKWs, elektrische Zweiräder sind für uns relevant, von Herstellern über Tier-1 und Tier-X Supplieren bis hin zu Betreibern. Im Bereich Energie geht es vermehrt um Integratoren und Operatoren von größeren Energiespeichersystemen. Gleichzeitig kooperieren wir auch mit Drittanbietern, wie zum Beispiel Munich RE, mit der wir eine Versicherungslösung für Energiespeicher anbieten, oder TÜV Rheinland, mit dem wir an einer Lösung für die Restwertbestimmung von Elektrofahrzeugen arbeiten.

Stellen Sie zum ersten Mal auf der ees Europe aus? Was erwarten Sie sich von der Teilnahme an der Messe?

Auf der ees waren wir schon öfter vertreten. Dieses Jahr ist es aber unser größter Auftritt. Für uns ist die ees eine sehr relevante Messe, vor allem im Bereich Energiespeicher, weil dort alle wesentlichen Player der Industrie vertreten sind. Von der Veranstaltung erhoffen wir uns, neue Kunden kennenzulernen, neue Projekte loszutreten und einfach ein paar gute Tage zu verbringen.

ees AWARD Finalisten 2021

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