Experteninterview – „Wasserstoff sollte an erster Stelle als Rohstoff eingesetzt werden“

Experteninterview – 16. März 2022

Wo gibt es die größten und besten Einsatzmöglichkeiten von grünem Wasserstoff? Wie ausgereift ist die Elektrolysetechnik und was sind die entscheidenden Entwicklungsmöglichkeiten? Das und mehr verrät Fabian Jochem, Head of Strategy bei SMA Sunbelt.

Wo sehen Sie persönlich die größten und besten Einsatzmöglichkeiten für grünen Wasserstoff?

In erster Linie denkt man an Speicherung des Wasserstoffs. Ich glaube allerdings, dass das erst relevant wird, wenn der Anteil der Erneuerbaren Energien im Netz bei ungefähr 80 Prozent liegt. Aktuell beträgt er in Deutschland 45 Prozent. Grüner Wasserstoff der CO2-neutral ist findet dort Anwendung, wo wir heute schon Wasserstoff brauchen. Der heutige Wasserstoffmarkt ist immens. 2,8 Prozent des weltweiten Primärenergieverbrauchs wird momentan zur Wasserstoffherstellung verwendet. Und damit sind auch 2-3 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen darauf zurückzuführen. Und genau hier sehe ich die Verwendung. Konkret zum Beispiel in der Industrie bei der Herstellung von Düngemitteln oder in der Stahl-und Ölindustrie.

Der große Vorteil von Wasserstoff ist Speicherung, aber auch die Möglichkeit, ihn leicht transportieren zu können. Wasserstoff ermöglicht somit eine größere Flexibilität in der Energieversorgung. Haben Sie hierfür ein konkretes Beispiel?

Ja. Wasserstoff ist sowohl als Rohstoff als auch als Energieträger nutzbar. Zum Beispiel im Bereich des Schwerlasttransports oder des Flugverkehrs. Das sind Bereiche, in denen batteriebasierte Systeme nicht greifen. Vor allem im Flugverkehr nicht und im Bereich Pkw wird noch viel besprochen. Hier bei SMA Sunbelt habe ich ein Beispiel in Neuseeland aus dem Bereich des Transports. Hier produzieren wir in einem Geothermiekraftwerk vor Ort Wasserstoff über Strom der zu viel im Netz ist. Dieser Wasserstoff wird umgewandelt und über den Seeweg nach Japan transportiert. In Tokyo fährt ein Teil der Taxiflotte mit diesem Wasserstoff. Das ist ein schönes Beispiel für Angebot und Nachfrage. Japan hat zu wenig Fläche um selbst grünen Wasserstoff zu produzieren. Australien und Neuseeland hingegen verfügen darüber. Durch die Möglichkeit des einfachen Transports auch großer Mengen kann das ausgeglichen werden.

Mit Wasserstoff wird schnell das Stichwort Wirkungsgrad in Verbindung gebracht. Durch die Herstellung, die Verarbeitung und den Transport entstehen hohe Verluste. Wie kann man dieses Argument entkräften?

Es ist richtig, dass durch die vielen Umwandlungsprozesse ein Verlust entsteht. Deshalb sollte Wasserstoff an erster Stelle als Rohstoff eingesetzt werden. Zum Beispiel in der Stahlindustrie oder in der Ammoniaproduktion. Trotzdem müssen wir das Thema auch aus politischer Sicht betrachten. Wenn die Industrie und der Verkehr dekarbonisiert werden soll, benötigt man dazu Technologien, die das können. Im Transportbereich wäre da die Möglichkeit, dies mit Elektromobilität zu erreichen. Es gibt aber Bereiche die – auch unter Berücksichtigung des Wirkungsgradverlustes- anders nicht erschlossen werden können. Hier spielt grüner Wasserstoff eine wichtige Rolle.

Welche technischen Lösungen im Bereich der Wasserstoffwirtschaft bieten Sie bei SMA Sunbelt momentan an?

SMA hat seinen Ursprung in der klassischen Leistungselektronik. Wir produzieren Wechselrichter für Solaranlagen vom kleinen bis hin zum großen Megawatt-Bereich. Hinzu kommt jetzt der Elektrolyseur-Bereich. Um einen Elektrolyseur zu betreiben braucht man eine relativ große Leistung im Gleichspannungsbereich. D. h. der Wechselstrom aus dem Netz muss umgewandelt werden in eine Gleichspannung, mit der dann der Strom dem Elektrolyseur zur Verfügung gestellt wird, um Wasserstoff zu produzieren. Diese Umwandlung bietet SMA Sunbelt an. Unsere Aufgabe ist es, die folgenden beiden Bereiche miteinander zu verbinden. Zum einen ist das der Bereich Öl und Gas, aus dem die Elektrolyseurhersteller kommen, und zum anderen ist das der Bereich der etablierten Erneuerbaren Energiewelt. SMA Sunbelt sieht sich hier als den Missing Link, der diese beiden Bereiche möglichst effizient zusammenbringt.

Zusammenfassend gesagt ist es so, dass man mit Wechselrichtern Gleichspannung in Wechselspannung umwandelt. Vereinfacht ausgedrückt Dachstrom in Hausstrom. Für die Elektrolyseure wird dieser Prozess umgekehrt.

Ja. Seit ungefähr 10 Jahren entwickeln wir den klassischen Wechselrichter, der Gleichstrom aus der PV-Anlage in Wechselstrom für das Netz umwandelt, weiter für Batteriespeicher. Die Batterie wandelt die gespeicherte Energie von Gleichstrom auf Wechselstrom um. Sie nimmt aber auch Strom aus dem Netz. Da fungiert unser Umrichter wie ein Gleichrichter, nimmt die Wechselspannung und richtet sie gleich für die Batterie. Dieses Produkt ist die Basis für den Elektrolyseur-Markt.

Diesen Markt beobachten Sie, auch wenn Sie selber keine Elektrolyseure herstellen. Wie ausgereift ist denn die Elektrolyseur-Technik zum aktuellen Zeitpunkt und welche entscheidenden Entwicklungsmöglichkeiten erwarten Sie in diesem Bereich zum Beispiel bezüglich des Wirkungsgrades?

Der momentane Elektrolyseur-Markt ist verschwindend klein und liegt bei ca. 500-800 Megawatt. Das Ziel ist aber ein Markt, der bis 2030 150 Gigawatt erreicht. Das entspricht ungefähr dem Größenbereich des gesamten europäischen Solarmarktes heute. Die Frage was zu tun ist, um dieses Ziel zu erreichen ist also berechtigt. Viele Themen stehen noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung. Beispielsweise fehlt in vielen Fabriken, in den Elektrolyseure gebaut werden die Automatisierung und die Standardisierung. Sowohl im Elektrolyse- als auch im Umrichter-Bereich sind das wichtige Grundlagen um diese angestrebte Größenordnung zu erreichen.

Beim Thema Elektrolyseur hängt es auch noch von der Technologie ab. Es gibt drei verschiedene Technologien. Die PEM, die Alkaline und die Hochtemperatur. In den Sparten PEM und Hochtemperatur ist noch viel Forschungsarbeit notwendig. Im Bereich Alkaline weniger, das ist eine relativ alte Technologie. Das PEM-Verfahren ist stark am Kommen und auch wir bauen Modelle auf PEM-Basis. Geforscht werden muss ebenso noch im Bereich der Materialien, die eingesetzt werden und im Bereich der Größe. Wir müssen den Punkt erreichen, an dem es möglich ist, Anlagen bis zu einem Gigawatt zu bauen. Zusammenfassend gesagt ist die größte Herausforderung für die gesamte Projektentwicklung des grünen Wasserstoffs neben dem Wirkungsgrad der Preis. Grüner Wasserstoff ist teurer als Grauer, der aus Gas hergestellt wird. Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien liegt bei ca. 4-6 Euro, Grauer bei 2 Euro. Um aber preislich in den Bereich von grauem Wasserstoff zu kommen, muss der Preis von grünem Wasserstoff gedrittelt werden.

Und für diesen Prozess haben wir nach Ihren Berechnungen noch acht Jahre Zeit. Werden wir diesen überschüssigen Strom, den wir dann hoffentlich im Netz zur Verfügung haben werden, in Deutschland decken können oder benötigen wir Sonnenstrom aus dem Ausland?

Diese Frage muss landesweit individuell beantwortet werden. In Deutschland haben wir nicht die Möglichkeit unseren gesamten Wasserstoffbedarf mit Erneuerbaren Energien zu decken. Als erstes muss der Strommarkt die 100-Prozent-Marke mit Erneuerbaren Energien erreichen. Das heißt, wir werden nicht umhinkommen, auch grünen Wasserstoff zu importieren. Wo genau dieser produziert wird, wird sich zeigen. Die beiden wichtigsten Eckpunkte sollten bei Wasserstoffproduktion erfüllt sein: eine hohe Sonneneinstrahlung für geringe Gestehungskosten von Strom und kostengünstiger Boden. Beispielsweise in der MENA-Region oder in Saudi-Arabien, wo der Großteil unseres heutigen Erdöls gefördert wird. Es könnte aber auch Australien sein, oder vielleicht alle zusammen. Ebenso stehen wir mit Herstellern von Düngemitteln in Kontakt, die sich für Norwegen interessieren. In Norwegen gibt es eine Überkapazität an Wasserkraft und relativ günstige Böden. Auch dort bestünde die Möglichkeit, Wasserstoff herzustellen. Oder in der Atacama-Wüste in Chile.

Dieses Interview ist ein Auszug aus einer Folge des The smarter E Podcasts. Das vollständige Interview können Sie hier anhören.

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